Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Forschung

Ziele des Kollegs

Rahmen des Forschungsprogramms in der zweiten Förderphase

In der ersten Förderphase spielte die Frage nach der Bedeutung von Prestige als Faktor sozialer Statusdefinition in allen beteiligten Disziplinen eine entscheidende Rolle, wobei intensiv über Prestige als Kategorie sozialhistorischer Analyse diskutiert wurde. In unterschiedlichen Bereichen wurde Prestige als Element gesellschaftlicher Kommunikation und kultureller Interaktion in den Blick genommen. Dabei konnte in vielen Projekten und Vorträgen beschrieben werden, dass Prestige auf einer Spannung zwischen Exklusivität der Ressourcen und allgemeiner gesellschaftlicher Akzeptanz innerhalb eines kulturellen Kontextes beruht. Auch wurde kulturübergreifend konstatiert, dass die jeweils eingesetzten Mittel konsensfähig und gesellschaftlich abgestimmt waren, weshalb nur begrenzte Freiheit bei der Wahl Prestige sichernder Güter und Handlungen bestand. In den Ansehen indizierenden Äußerungen artikulieren und materialisieren sich die abstrakten Werte einer Kultur, wobei eine jeweils kulturspezifische Hierarchie entsteht, die beobachtet und beschrieben werden kann. In dem fachübergreifenden und systematischen Vergleich konnten die unterschiedlichen Erscheinungsformen und Funktionsweisen von Prestige beschrieben werden.

Foren waren die Kolloquien, die gemeinsamen Vorlesungen und die Workshops. Die Stipendiaten haben zu diesem Zweck darüber hinaus wissenschaftliche Arbeitsgruppen gebildet, in denen theoretische und methodische Fragen und Probleme erörtert und geklärt wurden, die fächerübergreifend zu beobachten waren (Grabkultur, Wertesysteme usw.).nach oben

Ausdrucksformen von Prestige

Die beteiligten Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass der Versuch, Prestige nicht allein als Element sozialer Statusdefinition zu begreifen, sondern auch als wirtschaftliches, religiöses, rechtliches oder ästhetisches Phänomen, d.h. als mögliche Eigenschaft unterschiedlichster kultureller Ausdrucksformen in unterschiedlichen Lebensbereichen vergleichend zu analysieren, sehr ertragreich war. Dieser Ansatz soll beibehalten werden.

Dies betrifft beispielsweise materielle oder ideelle Ausdrucksformen wie Sprache, Stil oder Darstellungsthemen, konkrete Praktiken wie Mahlzeiten, Herrscherfeste oder Bestattungsrituale oder distinkte Bereiche von Kultur, in denen Prestige von Bedeutung sein kann, wie etwa in der Gestaltung urbaner Strukturen. Gerade kulturelle Ausdrucksformen und Praktiken haben zugleich das Potential, über den engen Rahmen eines kulturellen Kontextes hinauszuwirken und damit Prestige zum Bestandteil von kulturübergreifenden Austauschprozessen zu machen, die sich nur interdisziplinär verstehen lassen. Andererseits mangelt es auch auf der Seite des Sozialprestige im engeren Sinne an Untersuchungen, die Prestige umfassend als Element gesellschaftlicher Kommunikation zu verstehen trachten und die Vielfalt an Faktoren untersuchen, die zu seiner Etablierung und Veränderung führen. Hier ist beispielsweise die Frage nach der Festigung von Machtverhältnissen und sozialen Hierarchien oder nach Prestigegütern im weitesten Sinne wiederum auf den oben beschriebenen unterschiedlichen Ebenen zu nennen.

Bisher wurde im Kolleg versucht, den Erwerb von Prestige, sein Vorhandensein und die jeweiligen Eigenarten des kulturellen Ansehens zu erfassen und beschreiben. Das Prestige als soziale Kategorie stand somit im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit. In der zweiten Förderphase sollen nun die Faktoren, die Prestige generieren, stärker erforscht werden. Nicht das Ansehen selbst, sondern die Umstände seiner Entstehung, der Beschränkung oder gar des Verlustes werden in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Hierzu gehört auch das Spannungsfeld zwischen den formulierten Werten und der Alltagspraxis, wie zum Beispiel das Nebeneinander von ideeller Ablehnung und gleichzeitigem Besitz von Luxusgütern. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die innerkulturelle oder innergesellschaftliche Konkurrenz von Prestigekonzepten verschiedener Personen oder Gruppen, der ein eigenes Semester gewidmet werden soll.nach oben

Brüche und Kontinuitäten: die historische Dynamik von Prestige

Entsprechend soll in der zweiten Phase des Kollegs die historische Dynamik, die eine Kategorie wie Prestige besitzt, noch umfassender als in den ersten Semestern im Mittelpunkt stehen. Hierzu gehören etwa der Verlust des Prestiges durch die Neuformung der sozialen Felder und Neudefinition der Parameter, mit deren Hilfe die soziale Ordnung fixiert wurde. Solche Prozesse waren stets mit Traditionsbrüchen und Diskontinuitäten verbunden, die nach Möglichkeit zu kaschieren waren. Folge ist die gezielte Um- und Neuformung der Traditionsbezüge wie des historischen Bewusstseins. Aus diesem Grund soll danach gefragt werden, welche Rolle Tradition und Vergangenheitsbezug bei der Entstehung und Anerkennung von Prestige spielen. Dies kann auf einer eher abstrakten Ebene beispielsweise des historischen Gedächtnisses untersucht werden, aber auch ganz konkret etwa anhand archäologischer Befunde, die eine intentionale Besinnung auf Tradition und Vergangenheit erkennen lassen oder in der Form eines ostentativen Traditionsbruchs indizieren, dass neue Koordinaten und Bezugsgrößen für die Formierung von Ansehen entstanden sind.nach oben

Formen der Kommunikation von Prestige

Solche Neuformierungen lassen neben politischen, sozialen und gesellschaftlichen Veränderung auch intensive Kommunikationsprozesse erwarten, die sie begleitet haben und denen nachzuspüren sein wird. Ob Prestige diffus anerkannt oder aufgrund empirisch fassbarer Leistungen verliehen wird, ist dabei unwichtig. Solche Kommunikationsprozesse wie die soziale Praxis in unterschiedlichen Feldern sollen verstärkt in den Blick genommen werden, wobei die sprachliche Verständigung ebenso zu berücksichtigen ist wie performative Akte, öffentliche Inszenierungen und bildliche Darstellung. Insbesondere Inszenierungen schlagen auch eine Brücke zu den schriftlosen Kulturen, in denen Performanz anhand erhaltener materieller Befunde zu verfolgen ist. Genau diese strukturelle Voraussetzung verspricht eine ertragreiche Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb eines Graduiertenkollegs: die ohnehin im Zentrum der jeweiligen Kulturen und ihrer Überlieferungen stehenden prestigeträchtigen Bereiche können in einen größeren kulturgeschichtlichen Kontext eingeordnet werden. Ein innovatives Potential des Forschungsprogramms liegt folglich weiterhin in dem fachübergreifenden Versuch der Definition und Erprobung der Kategorie Prestige in den Kulturwissenschaften des Altertums.nach oben

„Symbolisches Kapital“ – Auseinandersetzung mit Bourdieu

Nachdem in unseren Forschungen offensichtlich wurde, dass die insbesondere von P. Bourdieu in die Diskussion eingeführten Formen des „Kapitals“ (ökonomisch, kulturell, sozial, politisch, linguistisch usw.) die komplexen Formen von Ansehen nur sehr begrenzt erfassen können, wurde in den internen Diskussionen vor allem mit der Kategorie des Habitus gearbeitet. Diese bietet in der Kombination mit einer Untersuchung sozialer Felder die Möglichkeit, differenzierter die Mechanismen der Entstehung von Prestige in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen zu beschreiben. Mit der Konzentration auf die übergeordnete Kategorie des Habitus ist es dem Kolleg gelungen, die Überlegungen Bourdieus weiterhin in den Diskussionen zu berücksichtigen und auf ihren heuristischen Wert für die einzelnen fachlichen Ansätze zu prüfen.

Gerade der in den historischen Kulturwissenschaften beinahe inflationär bemühte Begriff des „symbolischen Kapitals“ war, wie eine Analyse seiner Schriften innerhalb des Kollegs ergeben hat, für Bourdieu selbst von nachgeordneter Bedeutung, so dass eine entsprechende Neupositionierung in den Kulturwissenschaften ein besonderes Anliegen des Kollegs werden konnte. Die kritische Revision der einschlägigen Arbeiten und Überlegungen zum „symbolischen Kapital“ führte zu besonders innovativen Ergebnissen und Diskussionen. Es wurde deutlich, dass in der weiteren Perspektive des „Habitus“ (siehe hierzu den Überblick von Beate Krais und Gunter Gebauer, Habitus, 2002) differenziertere Einsichten möglich sind. Die von Bourdieu eingeführte analytische Kategorie des Habitus ist nämlich sehr stark auf die oben genannten Kommunikationsformen und die konkrete Praxis, das Handeln der beteiligten Akteure in den sozialen Feldern orientiert. Durch die Beobachtung, dass es einer Person oder einer Gruppe gelingt, eine herausgehobene Stellung über die erfolgreiche Adaptation eines Habitus einzunehmen, ist die analytische Grundlage geschaffen, den Charakter des Ansehens zu bestimmen.

Antike Kulturen überliefern in vielen Fällen keine Nachrichten über die Rezeption von Handlungen, die auf Prestigeerwerb ausgerichtet sind, weshalb ein angemessener heuristischer Ansatz erarbeitet worden ist. Da die theoretischen Überlegungen der am Kolleg beteiligten Wissenschaftler in der ersten Förderphase über vorhandene theoretische Ansätze hinausgekommen sind, sollen im Rahmen des Kollegs zukünftig verstärkt eigene theoretische Überlegungen zur Definition und Analyse von Prestige in gemeinsamen Publikationen vorgelegt werden.nach oben

Weiterführende Fragen

Das Forschungsprogramm und die darin angelegte Diskussion zwischen den beteiligten Projekten bietet die Grundlage, zur Klärung folgender möglicher und hier beispielhaft genannter weiterführender Fragestellungen und Problemfelder beizutragen:

  • In welchem Umfang kann Vergangenheitsbezug und Traditionspflege das Ansehen von Personen oder Gruppen beeinflussen?
  • Wann werden diese Bezugsgrößen in den unterschiedlichen Kulturen eingesetzt?
  • Welche Personen oder Gruppen beteiligen sich daran, die Bedeutung historischer Bezüge für die Entstehung von Ansehen festzulegen?
  • Wie wird in interkulturellen Kontakten Prestige ausgehandelt und definiert?
  • Wie kann dies in der Kommunikation schriftführender mit schriftlosen Kulturen aussehen?
  • Gibt es ein inhärentes Prestige, d. h. ist mit bestimmten Positionen Ansehen automatisch verbunden?
  • Wie lassen sich Diskontinuitäten und Brüche von Prestige beschreiben?
  •  Gibt es in den verschiedenen Kulturen gemeinsame oder unterschiedliche Muster, nach denen Transformationsprozesse ablaufen?
  • Wie wirken sich veränderte Herrschafts- und Machtverhältnisse auf die inhaltliche Konnotation von Prestige aus?
  • Wie werden konkurrierende Prestigekonzepte in einer Gesellschaft kommuniziert, zusammengeführt und bewertet?

Der Rahmen der beteiligten Fächer wurde regional wie zeitlich etwas erweitert, da sich die neuaufgenommenen Fächer vorzüglich in das Forschungsprogramm einpassen. In Vorträgen haben die kooptierten Kollegen vorführen können, wie fruchtbar die Integration ihres jeweiligen Faches in den Verbund des Kollegs ist. Die antiken Kulturen Europas, des Vorderen Orients und Asiens und schriftlose wie schriftliche Kulturen sind somit um wichtige Disziplinen erweitert. Da sich in der ersten Phase gezeigt hat, mit welch großem Engagement die beteiligten Dozenten bei der Sache sind, konnte die Erweiterung des Kreises in Angriff genommen werden, ohne eine Diffusion befürchten zu müssen. Der Gefahr, durch die fachspezifischen Bedingungen in ein zu enges methodisches Korsett gezwängt zu werden, soll nach den sehr positiven Erfahrungen der ersten Förderphase durch die Priorität der kulturspezifischen Analyse in jeder Disziplin begegnet werden. Auch zukünftig soll die Notwendigkeit der Anwendung fachspezifischer Methoden und interdisziplinärer Fragen so für die Kollegiaten offensichtlich bleiben.nach oben

Studienplan

Veranstaltungsplan für die zweite Förderungsdauer

 1. Semester

Vorlesung: Vergangenheitsbezug und Tradition (Koordination: Hose/Zimmermann)
Kolloquium: Forschungsprojekte der beteiligten Dozenten
Workshop: Geschichte als Prestigemarker

2. Semester

Vorlesung: Festkultur (Koordination: Sallaberger/van Ess)
Kolloquium: Stipendiaten: Vorstellung der Projekte
Workshop: Prestigeverlust

3. Semester

Vorlesung: Bilder des Fremden (Koordination: Schneider/Roaf)
Kolloquium: Stipendiaten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –

4. Semester

Vorlesung: Interkulturelles Prestige (Koordination: Metzner-Nebelsick/N.N.)
Kolloquium: Stipendiaten/Dozenten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –
Gemeinsame Forschungstagung aller beteiligten Fächer

5. Semester

Vorlesung: StadtBilder (Koordination: Ritter/Höllmann)
Kolloquium: Stipendiaten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –

6. Semester

Vorlesung: Königliches Ansehen (Koordination: Miller/Bauer)
Kolloquium: Stipendiaten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –

7. Semester

Vorlesung: Vom Material zum Artefakt (Koordination: Hartmann/Schneider)
Kolloquium: Stipendiaten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –

8. Semester

Vorlesung: Medialität von Prestige (Koordination: N.N./Roaf)
Kolloquim: Stipendiaten
Workshop: – von Stipendiaten zu entwerfen –