Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Tobias Bitterer

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Tobias Bitterer (Klass. Archäologie)

Marmorverkleidung römischer Architektur

Die visuelle Darstellung kaiserlicher Macht und Repräsentation scheint in der archäologischen Forschung der vergangenen Jahrzehnte in umfassender Weise bearbeitet. In diesem Zusammenhang wurde die Pracht kaiserlicher Selbstdarstellung in ihren verschiedensten Facetten beleuchtet und dabei wichtige Einblicke in das Funktionieren der Mechanismen eröffnet, die im Rahmen dieser Selbstdarstellung eingesetzt wurden.

Eine zentrale Stellung muß in diesem Zusammenhang die repräsentative Architektur schon alleine deshalb eingenommen haben, weil sie die Wahrnehmung desjenigen, der solche Gebäude(-komplexe) besucht und erlebt, umfassender zu vereinnahmen vermag, als dies beispielsweise bei repräsentativen Einzelelementen wie Bildern der Fall ist. Durch ihre Räumlichkeit gelingt es nämlich der Architektur - und nur ihr -, das betrachtende Individuum auf verschiedenen Wahrnehmungs-Ebenen anzusprechen. Während sich die Forschung bisher vornehmlich mit architektonischen Konzepten und derer äußerer Anlage beschäftigt hat, läßt sich nun auch innerhalb der prächtigen architektonischen Anlagen der römischen Kaiserzeit ein Aspekt greifen, den zu behandeln und methodisch angemessen zu erschließen besonders vielversprechend ist: die Semantik der Werkstoffe selbst - ein bislang nahezu unerforschtes Feld. Die Werkstoffe bilden einen Teil der zweiten Ebene, auf der sich Architekturrezeption abgespielt haben muß. In diesem Bereich gibt es zwar erste Vorarbeiten, doch wurde die Wirkung des Marmors dabei noch nicht systematisch im Zusammenhang der Dekoration von Architektur bearbeitet.

Aufgrund der desperaten Befundsituation, die durch eine weitreichenden Zerstörung der ursprünglichen Dekoration entstand, ist es zunächst notwendig, eine Methode zu entwickeln, die uns auch bei geringer Befundmenge befähigt, Rückschlüsse auf Anbringung der einzelnen Fundstücke zu ziehen und so sukzessive die Gestalt des Wandaufbaus insgesamt zu erschließen. Dafür ist es unerlässlich, den handwerklichen Vorgang zu klären, den das Anbringen einer solchen Wandverkleidung bedeutet. Für die Caracallathermen konnten im Rahmen meiner Magisterarbeit dabei bereits zahlreiche Punkte geklärt werden, so daß bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beispielsweise deutlich ist, welcher Arbeitsaufwand - und damit auch: welcher mächtige Bauherr sich hinter einer marmornen Wandverkleidung verbirgt.

Ziel meiner Arbeit soll sein, aufbauend auf einer handwerklich fundierten Grundlage, eine Theorie des Dekorativen zu entwickeln, die sich durch Verbindlichkeit und Anwendbarkeit im öffentlichen wie häuslichen Bereich auszeichnet und synchron wie diachron einsetzbar sein soll.

Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
- Inwiefern unterscheidet sich das römische System der Selbstdarstellung durch Wanddekorationen mit seinem Schwerpunkt auf Pracht von anderen kulturellen und semantischen Systemen?

- Inwiefern mußte sich der Kaiser aufgrund seiner besonderen Situation, die stets durch ein Legitimationsstreben geprägt war, gezwungen sehen, durch eine außerordentliche Repräsentationsfülle seine Stellung zu festigen und seinen Macht zu manifestieren - wie beispielsweise durch bunten Marmor, der eben diesen besonderen Anspruch des Kaisers in idealer Weise repräsentieren konnte?

- Inwiefern konnte sich dadurch eine besondere Art der Rezeption entwickeln, daß die Repräsentation kaiserlicher Macht und Pracht in diametralem Gegensatz zu der Lebenswirklichkeit eines römischen Bürgers stand, der die Repräsentationsanlagen besuchte?

- Inwiefern wurden im privaten bzw. häuslichen Bereich bei der Ausgestaltung von Architektur Elemente der kaiserlichen Repräsentation aufgenommen und konnten so in einen anderen Bedeutungszusammenhang getragen werden?

Besonders aufgrund der Situation der Forschung, die diese Bedeutung des Materials und des Dekorativen noch nicht integrativ vorstellen konnte, scheinen die aufgezeigten Perspektiven besonders verfolgenswert, da es sich bei der Wanddekoration um eine Form der Architektur- und Raumgestaltung handelt, durch die ‚Prestige' in offensichtlicher und zugleich subtiler Weise formuliert werden konnte.