Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Ralf Bockmann

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Ralf Bockmann (Klassische Archäologie)

Neue Herrscher und alte Eliten - Ausdruck von Macht und Ansehen im vandalischen Nordafrika der Spätantiket

Die Dissertation untersucht, in welcher Form in Nordafrika zur Zeit der vandalischen Herrschaft im 5. und frühen 6. Jh. n. Chr. politische Macht und persönliches Prestige ausgedrückt wurden. Schriftlichen Überlieferungen zufolge setzten die Vandalen zusammen mit anderen germanischen Gruppen unter der Führung ihres Königs Geiserichs im Jahr 429 von Spanien ins römische Nordafrika über. Binnen weniger Jahre wurden bedeutende Teile der Provinz erobert. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die Einnahme Karthagos im Jahr 439. Von diesem Sitz aus herrschten die vandalischen Könige über den wirtschaftlich stärksten und bedeutendsten Teil des römischen Afrika mit der Provinz Africa Proconsularis im Zentrum. Verträge mit Rom und Byzanz sicherten in den folgenden Jahren die internationale Anerkennung des Reichs. Die Nachfolger Geiserichs kamen durch ein neu installiertes Erbfolgesystem ebenfalls aus der hasdingischen Linie der Vandalen. Das Steuersystem wurde revidiert und der Grundbesitz teilweise umverteilt. In weiten Teilen scheint das römische Verwaltungssystem aber intakt geblieben zu sein und auch die wirtschaftliche Prosperität ist offenbar nicht wesentlich vom Regierungswechsel beeinflusst worden. Das vandalische Reich in Nordafrika hatte bis zum Jahr 534 Bestand, als ein byzantinisches Heer den Usurpator Gelimer gefangen nahm und das vandalische Staatsgebiet in das byzantinische Reich eingliederte. Wesentliche Informationen zum vandalischen Nordafrika stammen aus historischen Quellen. Der Großteil von diesen wurde von Gegnern der Vandalen verfasst. Diese Quellen prägten über lange Zeit das Vandalenbild in negativer Weise und haben zur Entstehung des Begriffs "Vandalismus" geführt. In den letzten Jahren hat sich das negative Bild, das man von dieser Epoche hatte, jedoch stark gewandelt. Aufgrund der Neuberwertung historischer Quellen und verstärkter archäologischer Untersuchungen sieht man im vandalischen Nordafrika heute weniger eine Zeit der Stagnation und des Verfalls, sondern ordnet die Epoche vielmehr als Teil einer größeren Entwicklung in der Spätantike ein.

Über die Ethnogenese der Vandalen ist nichts bekannt und die Verbindung eisenzeitlicher Kulturen in Mitteleuropa mit der bei antiken Autoren genannten germanischen Gruppe der Vandalen birgt Schwierigkeiten. Sicher scheint zu sein, dass eine größere Gruppe mit germanischem Hintergrund, bei der die Vandalen die führende Rolle gespielt haben, ab 429 in Nordafrika eingewandert ist und die Herrschaft über den bedeutendsten Teil der römischen Provinzen übernommen hat. Die neue Oberschicht setzte sich nun also nicht mehr nur aus der lokalen römisch-afrikanischen Elite zusammen, sondern auch aus neu eingewanderten Nicht-Römern. Obwohl diese sicher auch einen eigenen kulturellen Hintergrund hatten, waren sie bereits so stark romanisiert, dass kaum neue, "fremde" Fundstücke in dieser Zeit in Afrika auftauchen. Da es kaum Möglichkeiten gibt, die neue Gruppe im Fundgut zu greifen, wird unter "vandalisch" in dieser Arbeit zunächst nur eine zeitliche Dimension verstanden, eben die Epoche der vandalischen Herrschaft in Nordafrika.

Untersucht werden soll nun, wie in dieser Zeit und in dieser besonderen Situation die Oberschicht und das vandalische Herrscherhaus ihren Status ausgedrückt und ihre Macht repräsentiert haben, und auf welche Art und Weise dabei versucht wurde, Prestige zu akkumulieren. Dabei wird ausdrücklich sowohl die alte als auch die neu eingewanderte Elite eingeschlossen. Die Untersuchung wird die Wohnsitze der Oberschicht, also städtische und ländliche Villen, schriftliche Zeugnisse sowohl epigraphischer als auch historischer Art sowie Bestattungen und andere Quellengattungen berücksichtigen. Ebenso werden Bauten in die Untersuchung miteinbezogen, die während der zu untersuchenden Epoche errichtet wurden. Dies trifft vor allem auf religiöse Bauwerke zu. Die Religion war zudem eines der wenigen distinktiven Merkmale der neuen Bevölkerungsgruppe. Während die einheimische römisch-afrikanische Bevölkerung vorwiegend dem katholischen Christentum anhing bzw. der in Afrika entstandenen - allerdings im 5. Jh. zunehmend ins Abseits gedrängten - Richtung des donatistischen Christentums, waren die germanischen Einwanderer überwiegend arianische Christen. In anderen Bereichen sind keine Unterschiede festzustellen - so ist etwa bei den Villen, die einen Umbau oder Erweiterungen in vandalischer Zeit erfahren haben, in Ausstattung und Architektur keine Unterschiede zum 4. Jh. auszumachen. Einige Bestattungen scheinen auf der anderen Seite jedoch fremdartige Elemente aus Sicht der traditionellen römisch-afrikanischen Kultur aufzuweisen. Zu fragen ist hier also, in welchen Bereichen welche Elemente benutzt wurden, um Status anzuzeigen. Dies kann zunächst unabhängig von der Frage der realen ethnischen Zugehörigkeit der einzelnen Personen geschehen - diese Diskussion findet auf einer anderen Ebene statt. Im Sinne der Fragestellung ist eher von Bedeutung, auf welche Art und Weise der Kampf um Prestige in dieser neu zusammengesetzten Oberschicht des 5. und frühen 6. Jhs. stattfand. Dabei müssen sowohl die verschiedenen Kontexte und Zielgruppen bedacht werden, als auch die Herkunft und Bedeutung der Prestigeanzeiger. Im Bereich der Herrscherrepräsentation, die sich zusammen mit ihrem eigenen Kampf um Prestige auf einer anderen Ebene abspielt, muss auch auf das Verhältnis des vandalischen Königshauses vor allem zum west- und oströmischen Reich eingegangen werden, hier kommt zudem die Münzprägung als neue Quellengattung hinzu.

Aufgrund der Fragestellung und des thematischen Hintergrunds ist das Dissertationsprojekt interdisziplinär angelegt. Betreut wird die Arbeit von Prof. Dr. Rolf M. Schneider im Fach Klassische Archäologie an der LMU München. Die Anregung zu diesem Projekt geht auf die mehrjährige Mitarbeit an einer Ausgrabung von Dr. Richard Miles von der University of Cambridge zurück, bei der in Karthago-Bir Messaouda ein spätantikes Kirchengebäude mit Bauphasen des 5. und 6. Jhs. untersucht wurde. Dr. Miles wird als externer Betreuer die Arbeit begleiten.