Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Dr. Maria Khayutina

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Maria Khayutina (Sinologie)

Konzeptualisierung, Repräsentation und Bedeutung von Prestige in China während der Frühling und Herbst-Periode (770-403 v. u. Z) im Spiegel der elitären Bronzekultur.

Im Fokus dieses Projektes stehen Bronzegeräte, insbesondere Ritualgefäße, Musikinstrumente und Waffen aus der Frühling und Herbst-Periode. Für die Rekonstruktion des historischen Bildes vom frühen China haben sie eine zweifache Bedeutung: Sie sind einerseits wertvolle Zeugnisse seiner großenteils verlorenen materiellen Elitenkultur, andererseits sind sie oft auch Träger ritueller Inschriften, die über die Errungenschaften und Anliegen ihrer Stifter berichten. Die Bronzen können also selbst als eine Kategorie der Prestigegüter betrachtet werden, während die sie begleitenden Inschriften als eine einzigartige authentische Informationsquelle über die Prestigevorstellungen des frühchinesischen Adels genutzt werden können. Das Ziel des hier konzipierten Forschungsprojektes ist es, anhand der Bronzeinschriften zu untersuchen, was in den altchinesischen Elitenkreisen als prestigeträchtig betrachtet wurde, wie soziales und politisches Prestige unter Anderem mit Hilfe von Bronzegeräte dargestellt werden konnte, und wie sich die Vorstellungen über Prestige und Formen seiner Repräsentation sowie seine Bedeutung im Vergleich zur Zeit der Westlichen Zhou-Dynastie (1046/5-771 v.u.Z.) veränderten. Neben den Angaben der Inschriften soll das Aussehen von Bronzegegenständen und die archäologischen Umstände ihrer Entdeckung berücksichtigt werden. Für die Interpretation und die historische Kontextualisierung der Befunde sollen auch Informationen überlieferter Texten herangezogen werden.

Die Forschungsarbeit wird von folgenden Fragen geleitet:

1. Wer waren die Stifter der Bronzegeräte mit Inschriften während der Frühling und Herbst-Periode? Wie unterschied sich die soziale Struktur des Bronzewaren-Besitzerkreises von derjenigen der Westlichen Zhou-Zeit?

Die West-Zhou-zeitlichen Bronzegefäße und Bronzeglocken, deren primäre Funktion Gebrauch in Ahnenritualen war, werden von historischen Anthropologen und Archäologen gleichzeitig als Luxuswaren und Zeichen von aristokratischem Status angesehen (Chang 1983, Hsu and Linduff 1988, Xu Zhuoyun 1999). Mutmaßlich sollte das Recht auf ihren Besitz vom Zhou-König gestattet werden (Chang 1983, Cook 1995). Während der Frühling- und Herbst-Periode wird eine Tendenz zur Säkularisierung der rituellen Bronzekultur beobachtet, hinter welcher das Nachlassen der königlichen Kontrolle und eine größere Zugänglichkeit zur Bronzeproduktion in regionalen Fürstentümern vermutet worden sind (Hsu and Linduff, Mattos). Im Rahmen dieses Projektes sollen weitere Zusammenhänge zwischen dem geopolitischen und dem sozialen Wandel im frühen China und den Prozessen in seiner materiellen Elitenkultur aufgedeckt werden.

2. Welche Hierarchie der Kategorien von Prestige kann in den Vorstellungen der Bronzegeräte-Stifter beobachtet werden?

Vorläufig wird vorgeschlagen, zwischen materiellen und nichtmateriellen "Prestigegütern" zu unterscheiden. Zu den ersten werden tastbare Gegenstände gezählt (z.B. Luxusgegenstände, Machtinsignien, Verkehrsmittel, Utensilien, Waffen, Tauschmittel usw.). Innerhalb der zweiten Kategorie kann es zwischen den personalen und handlungsbezogenen Manifestationen von Prestige unterschieden werden (z.B. Tugend, Bildung, Zivilisation einerseits und Freundlichkeit, Gastlichkeit, Pflege der verwandtschaftlichen Beziehungen, Errungenschaften in Militär- oder Administrationstätigkeit usw.). Es soll untersucht werden, welche von diesen Merkmalen, wie oft und in welchem Zusammenhang in einzelnen Inschriften aufgeführt wurden. Zum Vergleich sollen überlieferte Quellen, insb. Das Buch der Lieder (Shi jing) herangezogen werden.

3. Wie konnte Prestige mit Hilfe der Bronzegeräte nach außen repräsentiert werden?

Im Unterschied zu den Ahnenritualen der frühen Westlichen Zhou-Zeit, die im engen Verwandtenkreis durchgeführt wurden, schlossen die rituellen Veranstaltungen der späteren Westlichen Zhou-Zeit und der Frühling und Herbst-Periode eine größere Teilnehmerzahl ein. Die Bronzegeräte wurden dabei zur Schau gestellt. Hier soll Aufmerksamkeit auf das Aussehen von Bronzegeräte gerichtet werden (z.B. ob sie West-Zhou-zeitlichen Mustern ähnelten oder überwiegend von lokalen Elementen geprägt waren), wo die Inschriften platziert wurden, und wie sie gestaltet wurden. Es soll ein Versuch der Interpretation unternommen werden, welche Bedeutung diese Faktoren in der Präsentation von Prestige haben konnten.
Die beschrifteten Waffen und ihre mägliche Verwendung für die Demonstration von Prestige sollen ebenfalls behandelt werden.

5. Wie differenzierten sich die Vorstellungen von Prestige und Formen seiner Präsentation regional oder in einzelnen Fürstentümern? Wie veränderten sie sich seit der Westlichen Zhou-Zeit?

Es soll erforscht werden, wie sich die Vorstellungen und Darstellungsformen von Prestige im Norden und Süden, oder in einzelnen Staaten (z.B. Qin, Jin, Chu, Qi usw.) im Vergleich zueinander und zu denjenigen aus der Westlichen Zhou-Zeit standen. Es wird die Vermutung überprüft, dass seit der mittleren Westlichen-Zhou-Zeit die nichtmateriellen "Prestigegüter" an Bedeutung kontinuierlich zunahmen, wobei das Gewicht der personalen und handlungsorientierten Merkmalen von Prestige in Vorstellungen von Stiftern aus dem Norden und aus dem Süden unterschiedlich war. Es soll überprüft werden, ob die geopolitische Wende zwischen der Westlichen und Östlichen Zhou-Zeit auch eine dramatische Veränderung in den Wertvorstellungen der frühchinesischen Eliten verursachte, oder ihr Wandel eher als ein gradueller Prozess verstanden werden kann.


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