Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Projektbeschreibung

Die jüdischen Kongregationen Roms und ihre Titelträger: Kulturelle Einflüße und Entwicklung vom 1.–5. Jh. u.Z. (Arbeitstitel)

In meinem Dissertationsprojekt erfolgt eine umfassende Analyse der Entwicklung der jüdischen Gemeinden Roms und deren synagogaler Ämterstruktur von der frühen Kaiserzeit bis in das 5. Jh. n. Chr. unter Herausarbeitung der vielfältigen Einflussfaktoren auf diesen Prozess.

In den jüdischen Inschriften Roms werden kaum Berufe oder Berufsstände außerhalb des synagogalen Ämterkanons genannt. Die aufgeführten Ämtertitel müssen demnach von Bedeutung für die Gemeinden gewesen sein und die Titelträger einen anerkannten Status in den Gemeinden innegehabt haben. Anhand einer Untersuchung des Entwicklungsprozesses der synagogalen Ämterstruktur kann die Entstehung und Bedeutung von Prestige in diesem Kontext und mit diesem Quellenmaterial besonders eindrucksvoll nachvollzogen werden. Eine derartige Untersuchung lässt wertvolle Ergebnisse sowohl in historisch-archäologischer als auch religionswissenschaftlicher Hinsicht erwarten.

Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den archäologischen und insbesondere epigraphischen Zeugnissen unter Berücksichtigung ihrer zeitlichen Aussagekraft in Verbindung mit dem bisherigen Forschungsstand bezüglich der jüdischen Gemeinden Roms notwendig. In der Forschung wurden die aus der Monteverde-Katakombe in Rom stammenden Inschriften bisher als direktes Zeugnis für Schlussfolgerungen über die Gemeinden und die synagogale Ämterstruktur des 1. Jhs. n.Chr. herangezogen. Die entsprechend formulierten Thesen beruhten einerseits auf der bereits durch den Ausgräber Nikolaus Müller erfolgten Datierung der Grabstätte in die frühe Kaiserzeit als auch auf einer zeitlichen Einordnung der Entstehung der Inschriften zwischen dem 2. Jh. n. Chr. und dem 4. Jh. n.Chr. Die Betrachtung des archäologischen Fundkontextes und der Grabungsgeschichte sowie die Einbeziehung neuer Forschungen zu diesem Thema führen jedoch zu den Schlussfolgerungen, dass sowohl die Grabstätte als auch die in ihr gefundenen Inschriften nicht früher als in das 3. Jh. n. Chr. zu datieren sind. Zu den neu einbezogenen Forschungsmethoden und -ergebnissen zählen u.a. die von Leonard Rutgers durchgeführte C14-Analyse von Rußspuren auf Öllämpchen aus der Monteverde-Katakombe und die Neuaufnahme der Inschriften in JIWE II durch David Noy.

Meine auf der Basis der Spätdatierung weitergeführten Untersuchungen zeigen auf, dass die Datierung der Inschriften in das 3.–4. Jh. erhebliche Auswirkungen auf die bisher geltenden Thesen bezüglich der zeitlichen Einordnung der namentlich in den Inschriften genannten Gemeinden und der synagogalen Ämterstruktur hat. Demnach ist sowohl die bislang übliche Identifikation von insgesamt fünf jüdischen Kongregationen im frühkaiserzeitlichen Rom fragwürdig als auch die Anzahl der nachweislich bereits im 1. Jh. gebräuchlichen Ämterbezeichnungen weitaus geringer als bisher angenommen. Ich bin davon überzeugt, dass die synagogale Ämterstruktur im 1. Jh. n.Chr., anders als bisher in der Forschung angenommen, noch nicht stark ausdifferenziert war, sondern von einer allmählichen Ausbildung eines breit gefächerten Ämterkanons im Laufe des 1. Jhs. n.Chr. bis zum 3./4. Jh. n.Chr. ausgegangen werden sollte. Im Zuge meiner bisherigen Untersuchungen konnte ich feststellen, dass die epigraphischen Zeugnisse aus Rom betreffs der jüdischen Ämtertitel primär für das 3./4. Jh. aussagekräftig sind.

Für die geplante Analyse der Herkunft, Bedeutung und zeitabhängigen Entwicklung der jüdischen Ämtertitel in den römischen Synagogalgemeinden müssen daher unterschiedlichste Materialgruppen aus verschiedenen Regionen des jüdischen Verbreitungsgebietes herangezogen werden. Als Quellen können etwa Papyri aus Ägypten, Inschriftenzeugnisse aus Kleinasien, Israel und anderen jüdischen Gemeinden in Italien sowie religiöse Texte aus der Septuaginta, den Evangelien und dem Alten Testament als auch die Belege von jüdischen Ämtertiteln bei Josephus und Philo von Alexandria dienen. Eine Betrachtung dieser Materialien ermöglicht, das Ansehen der jeweiligen Ämter von christlicher, jüdischer und paganer Seite aus zu beurteilen und somit auch verschiedene Verständnissphären aufzudecken. Weiterhin befähigt das hier umrissene Forschungsvorhaben unterschiedliche Ausdrucksmittel von Prestige etwa im sakralen Kontext zu ermitteln und zeitliche und regionale Besonderheiten aufzudecken.