Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Projektbeschreibung

Chiara Cognetti (Hethitologie)

Der hethitische König und seine Ahnen. Die Rolle des Ahnenkults als Ausdruck von Prestige

Mein Dissertationsprojekt beschäftigt sich zunächst mit der Rolle des Ahnenkults bei den Hethitern, insbesondere im letzten Zeitabschnitt des hethitischen Reiches (ca. 1250 bis 1185 v.Chr.). Im Bereich der Hethitologie fehlt bislang eine Gesamtdeutung des Themenkomplexes, die der Wichtigkeit des Ahnenkults in Bezug auf das hethitische Königtum Rechnung trägt. Dabei muss in erster Linie geklärt werden, inwieweit der Ahnenkult ein zentrales Medium geworden war, um das eigene Prestige (seitens des Königs) zu äußern. Die wichtigsten Quellen für den Ahnenkult der hethitischen Dynastie sind die Opferlisten für verstorbene Könige, Königinnen und Prinzen, die denen aus Mesopotamien und Nordsyrien sehr ähneln. Wie und inwiefern sie diesen ähneln, soll während der Untersuchung ergründet werden. In den hethitischen Texten erscheinen viele Institutionen bzw. Gebäude, die besonders in Verbindung mit dem Totenkult und wahrscheinlich auch mit dem Ahnenkult stehen. Es handelt sich um das É.NA4 (DINGIRLIM), das „Steinhaus“, das hešti-Haus, das É NA4hekur (SAG.UŠ), „Eternal Peak (?)“, die Gebäudebezeichnungen haštiyaš pir und tunnakeššar, „Beinhaus“ bzw. „Beinkammer“, das É GIDIM „Haus des Toten(geistes)“, das É(.GAL) huhhaš (dUTUŠI) „Haus der Großväter (der Majestät)“, Éšinapši, und auch den Tempel des Wettergottes (É dIŠKUR) und den Tempel des Kriegsgottes (ÉdZA.BA4.BA4). Alle diese Institutionen bzw. Gebäude sind in vielen Fällen (während der staatlichen Feste, Rituale, und in Bezug auf den Kult im Allgemeinen) als Kultorte miteinander verbunden und ihr wiederkehrendes Vorhandensein in den hethitischen Texten in Verbindung mit dem Ahnenkult zeigt eindeutig, wieviel Raum die Hethiter der Ahnenverehrung im Alltagsleben gegeben haben. Die konkreteste Manifestation des Ahnenkults findet man nämlich bei der Verehrung von Statuen: die Ahnen erschienen nicht nur während des Totenzeremoniells, sondern sie waren auch während der Feste und der Entsühnungs- und Ersatzrituale für den König als Sitzbilder und Statuen anwesend.

Ferner gibt es einige Beispiele (Inschriften, Felsreliefs und Bilder) aus dem letzten halben Jahrhundert des hethitischen Reiches, die den König mit „göttlichen Kleidungen“ darstellen. Deswegen wird darüber diskutiert, ob das hethitische Königtum im letzten Jahrhundert des Reiches durch eine mögliche Identifizierung des Königs mit einem Gott sowie durch eine Verehrung des Königs als Gottheit auch zu Lebzeiten theokratisierende Züge angenommen hat. Diese Prozesse und Veränderungen sollen aufgrund einer neuen Bearbeitung der den Ahnenkult betreffenden Texte während meiner Untersuchung analysiert und gedeutet werden. Vor allem stellt sich die Frage: Inwiefern musste sich der hethitische König aufgrund seines besonderen Status, der stets aufs Neue legitimiert werden musste, gezwungen sehen, durch eine außerordentliche Repräsentationsweise seine Stellung zu festigen und seinen Macht zu manifestieren? Die Untersuchung des Ahnenkults als Prestigemedium bietet somit eine neue Perspektive auf die Diskussion um Ansehen in der hethitischen Kultur. Es wird u.a. zu untersuchen sein, in welchem Zusammenhang der Ahnenkult mit der kollektiven Identität steht. Des Weiteren beschäftigt sich das Promotionsprojekt auch mit der Selbstdarstellung und Repräsentation der toten hethitischen Könige nach außen. Inwiefern trug die Ahnenverehrung, der eine wichtige Funktion in der Gesellschaft zukam, zum Entstehen eines kollektiven Identitätsgefühls und Prestigevermehrung seitens des Königs bei?

Nach der Untersuchung dieser großen Themenblöcke sollte sich ein Bild ergeben, das uns genauere Informationen nicht nur über die ideelle sondern auch über die gesellschaftliche Bedeutung der königlichen Darstellungen ermöglicht und damit über die Möglichkeit, die eigene Position durch vermehrtes Prestige zu stärken. Es handelt sich u.a. um die Darstellung von Prestige der Verstorbenen.