Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Melanie Heinle

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Melanie Heinle (Alte Geschichte)

Eine historische Landeskunde der Aiolis

Die Aiolis war eine antike Landschaft an der Westküste der heutigen Türkei. Der Name stammt von den ersten Siedlern, Angehörigen des Stammes der Aiolier, die ab dem 11. Jh. v.Chr. aus Böotien und Thessalien nach Kleinasien einwanderten. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich von der Troas im Norden bis nach Smyrna, dem heutigen Izmir, im Süden sowie auf die vorgelagerten Inseln Lesbos, Tenedos und Nasos. Charakteristisch für die Aiolier war ihr Dialekt, der sie von den übrigen Griechen unterschied. Weitere verbindende Gemeinsamkeiten waren gleichartige städtische Institutionen und ein einheitlicher Kalender. Schon in der Antike wurde diskutiert, welchen Umfang die Aiolis habe, welche Städte zu dieser Landschaft zu rechnen seien und welche nicht. So definieren Herodot, Ephoros, Pseudo-Skylax und Strabo die Aiolis alle nach ihren eigenen Kriterien und geben unterschiedliche Ausdehnungen an.

Das Promotionsprojekt konzentriert sich auf den Küstenstrich zwischen den Golfen von Adramytteion und Smyrna mit einigen Orten im Innern, v.a. an den Flussläufen des Kaikos, des Titnaios und des Hermos. Ziel des Projektes ist die Erforschung der Region in historischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht.

Die Untersuchung und Analyse literarischer, epigraphischer, numismatischer und archäologischer Zeugnisse wird Aufschluss darüber geben, inwieweit es möglich ist, das „Funktionieren“ dieser Landschaft zu rekonstruieren. Das übergeordnete Thema des Promotionsprojektes ist die Beziehung zwischen Gesellschaft und Raum. Im Zentrum der Untersuchung steht demnach die Bedeutung räumlicher Bedingungen für die Existenz und Organisation der Bewohner unter Berücksichtigung der sich wandelnden wirtschaftlichen und politischen Faktoren. Gemeint ist damit nicht ein geographischer Determinismus, sondern das Wechselspiel von naturgeographischer Ausstattung, Gestaltung der Kulturlandschaft und soziopolitischem Wandel.

Zentrale Bestandteile der Fragestellung bilden die Aspekte Identität und Prestige. Einhergehend mit der Binnenstruktur der Aiolis wird die Hierarchie der Orte innerhalb der Landschaft untersucht werden. Eine Analyse der Inschriften wird zeigen, welche Städte etwa eine besondere Rolle in der Bestellung fremder Richter spielten und welchen Orten in der überregionalen Kommunikation ein herausgehobener Rang zukam. Weiter soll der Frage nachgegangen werden, welche Strategien von Hierarchisierung die Orte verfolgten. Welche Rolle spielte z.B. die urbane Ausgestaltung, die Initiierung überregionale Kulte und Feste und anderes mehr bei der Konkurrenz der Städte um Prestige? Des weiteren beschäftigt sich das Promotionsprojekt mit der Selbstdarstellung und Repräsentation der Aioler nach Außen. Inwieweit trug etwa die Generierung von Mythen zum Entstehen eines kollektiven Gedächtnisses und den daraus resultierenden Konsequenzen für Identitätsgefühl und Prestigewahrnehmung bei?

Schließlich wird die Sicht von Außen behandelt werden. Welchen Status hatte die Region als Mitglied des antiken Kulturraumes unter ihren Nachbarn inne?

Eine grundlegende Darstellung der aiolischen Landschaft und ihrer Siedlungen ist bislang ein Desiderat. Eingehend mit der Geschichte der Aiolis beschäftigte sich letztlich nur W. Ramsey (Contributions to the History of Southern Aiolis, JHS 2, 1881, 44-54 und 271-308). Das Dissertationsprojekt, das auf frühere Forschungen zurückgreift, neuere archäologische und numismatische Forschungsergebnisse sowie Inschriften-Neufunde umfassend berücksichtigt und eigene, im Rahmen eines DFG-Projektes vor Ort gemachte Beobachtungen einbezieht, wird daher einen wichtigen Beitrag zur Erforschung Westkleinasiens liefern und sich in das aktuelle Reflexionsniveau der Landeskunde einordnen.