Formen von Prestige in Kulturen des Altertums
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Christiane Nowak

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Christiane Nowak (Klassische Archäologie)

Italiker in griechischen Koloniestädten Unteritaliens? Untersuchungen zu Wandlungsprozessen im Bestattungsritual griechischer Kolonien im 5. und 4. Jh. v. Chr.

Problemaufriss

Im Zuge der „Großen Griechischen Kolonisation“ gründeten Siedler verschiedener griechischer Städte Kolonien an den Küsten Unteritaliens und Siziliens. Ab der 2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. setzten in den griechischen Kolonien der tyrrhenischen Küste Wandlungsprozesse ein. Archäologisch lassen sie sich vor allem in den Nekropolen dieser Kolonien nachvollziehen. Insbesondere das Aufkommen von Prestigeobjekten wie Waffen, reichen Schmuckstücken, figürlichen Grabmalereien und qualitätvoller Keramik können als Indikatoren für diese Transformationsprozesse angeführt werden.
In der Forschung wird der Wandel zumindest in den an der tyrrhenischen Küste gelegenen griechischen Kolonien mit den historisch überlieferten Eroberungen der Städte Poseidonia (um 400 v. Chr.) durch Lukaner (Strab. 6, 1) und Kyme (423 v. Chr.) durch die Samniten (Diod. XII 76, 4; Dion. Hal. VII 15. 6, XV 6; Liv. IV 44, 12) erklärt. Man spricht von einer Lukanisierung bzw. Samnitisierung, im Sinne einer „Barbarisierung“ der Städte.
Die Ursachen dieser neuen prestigeträchtigen Bestattungsrituale wurden in einer sich neu konstituierenden lukanischen bzw. samnitischen Oberschicht gesehen (Pontrandolfo – Rouvert 1992; Cipriani 1996).
Doch nicht nur in den griechischen Kolonien, der tyrrhenischen Küste kann im 4. Jh. v. Chr. ein Wandel im Bestattungsritual nachgewiesen werden, sondern auch in denen der ionischen Küste wie in Tarent, Metapont und Herakleia. Diese wurden der schriftlichen Überlieferung folgend nicht von italischen Völkern eingenommen. Doch auch in diesen Städten können einschneidende Veränderungen in der Repräsentation im Grabkult gefasst werden. Auch hier kann nun verstärkt die Verwendung von Prestigeobjekten nachgewiesen werden. Sowohl in Frauen- als auch in Männergräbern und in allen Alterklassen lassen sich goldene Schmuckstücke, wie Kränze, diffizil gearbeitete Ohrgehänge, voluminöse Ketten etc. nachweisen (De Juliis 1985).

Zielsetzung

Ziel ist es, Gründe für die Ursachen des Bestattungswandels und der daraus zu schlussfolgernden sozialen Transformationsprozesse zu finden. Konkret gilt es, folgender Frage nachzugehen: Warum wurde der im 5. Jh. v. Chr. herrschende ostentativ schlichte Bestattungsritus aufgegeben und durch einen wesentlich reicheren, Prestigeobjekte nutzenden ersetzt. Um sich der Frage nach dem „Warum“ der neuen Bestattungsrituale zu nähern, müssen die einzelnen Prestigeobjekte auf ihre Genese und ihren Zeichengehalt hin untersucht werden (Peirce 1983, 64 ff.; Eco 1994; Burmeister 2004).
Dieser Themenbereich soll ein zentraler Aspekt meiner Dissertation werden, denn er stellt einen Schlüssel zum Verständnis der Prozesse des sozialen Wandels dar, der sich in den griechischen Kolonien an der Wende vom 5. zum 4. Jh. v. Chr. vollzog. Damit verbunden ist die Evaluierung von Methoden zur Bestimmung des soziologischen Phänomens „Prestige“ (Kluth 1956, Bourdieu 1987) anhand der archäologischen Quelle „Grab“.

Methodische Vorüberlegungen

Grundlegend für alle weiterführenden Fragstellungen zum Thema Formen des Prestiges im Grabritual ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Problem der „Wertsetzung“ von Objekten und dem damit verbundenen Thema der Rekonstruktion von Sozialstrukturen (Bernbeck 1997, 262 ff.). Denn erst durch das Wissen um die damaligen Sozialsysteme ist eigentlich eine adäquate Zuordnung bestimmter Prestigeobjekte oder Statussymbole möglich. Dass dies auf archäologischem Wege nur bedingt möglich ist, liegt vor allem daran, dass der Wert von Gegenständen in anderen Kulturen bei Fehlen einer emischen Perspektive nur schwer zu ermitteln ist (Pollock 1983, 8-15). Dennoch scheint das bisher erarbeitete methodische Instrumentarium zumindest eine Annäherung möglich zu machen (vgl. Burmeister 2003; Bernbeck 1997, 262 ff.), die auf das Beispiel der griechischen Kolonien und der indigenen Siedlungen übertragen werden soll. Eine profunde Kenntnis des Bestattungsrituals der indigenen Siedlungen stellt für die Beurteilung und Interpretation der Transformationsprozesse im Bestattungsbrauch der sog. „lukanisierten“ und „samnitisierten“ Kolonien der tyrrhenischen Küste die materielle Grundlage dar.